Geschichtliches zur integrativ – kooperativen Grundschule in Birkenwerder
Im Jahre 1848 stand Lehrer Eysele im ersten Schulgebäude Birkenwerders, einem einstöckigen Lehmgebäude, 150 Schulkindern gegenüber. Seine Forderung, „Dass aus solch einer elenden ungesunden Hütte Schulkinder und Lehrer so schleunig als möglich erlöst sein mögen…“, wurde erst 1855 erhört. In diesem Jahr entstand das einstöckige gelbe Backsteinhaus, in dem bis 1993 die Kinderbibliothek untergebracht war.
Schon bald wurde auch dieses Gebäude zu klein und 1892 musste das zweistöckige Schulgebäude angebaut werden. Fünf Klassen mit hohen Schülerzahlen, vierzig bis sechzig Schüler pro Klasse, drängten sich in den doch recht engen Räumen. Von 8.00 bis 16.00 Uhr wurden sie in biblischer Geschichte, Rechnen und Schreiben, Heimat- und Naturkunde usw. von vier Lehrern unterrichtet.
Die Entwicklung der Einwohnerzahl Birkenwerders nach dem l.Weltkrieg brachte es mit sich, dass das alte Schulgebäude nicht mehr ausreichte.
Steigende Schülerzahlen und die daraus entstandene Raumnot machen 1926 einen Schulneubau erforderlich. Geplant wurden eine Turnhalle und der Neubau der Volksschule. Der Bau ist hauptsächlich durch aufgenommene verzinsbare Darlehensgelder und Grundstücksverkäufe finanziert worden. Die Differenz in den Kosten fand später Deckung aus dem Schulfond. Richtfest der Turnhalle war im Januar 1927. Nach einer Bauzeit von genau einem Jahr. Im September 1927 wurde der Turnhallenbau fertig gestellt und am 25.09.1927 eingeweiht.
Das Kellergeschoss der Turnhalle beherbergt das neue Feuerwehrdepot der Gemeinde. Der erste Bauabschnitt des gesamten Schulneubaus war fertig. Am 20.08.1929 wird die Richtkrone das neue Schulgebäude schmücken. Neun Klassen enthielt das neue Bauwerk und mit dessen Vollendung bezog die Grundschule das neue Haus. Ein Spielplatz stand kurz vor der Fertigstellung. Die Oberklassen mussten zu dieser Zeit noch das alte Schulgebäude nutzen, sie konnten erst berücksichtigt werden, als der dritte Bauabschnitt fertiggestellt wurde. Im April 1930 war es soweit, die Volks- und Mittelschule konnte ins Gebäude einziehen. Im September 1930 umfasste die Volksschule in Birkenwerder 12 Klassen.
Durch Kriegseinwirkungen ging viel Archivmaterial verloren, so dass aus der Zeit nach 1930 wenig bekannt ist. In den ersten Nachkriegsjahren fehlte es an Schulbüchern, an Arbeitsmitteln, an Klassenräumen und Lehrern. Oft brachten die Schüler jeder eine Kohle mit, um die Klassenräume wenigstens etwas heizen zu können.
Eine ehemalige Lehrerin unserer Schule, Frau Schiller, erzählt uns über ihre Arbeit an unserer Schule
Frau Schiller kam 1945 nach Birkenwerder. Sie beteiligte sich nach Beendigung des Krieges aktiv bei denAufräumungsarbeiten im Ort. Lehrerin war sie damals noch nicht. Sie arbeitete als Justizsekräterin und Dolmetscherin. Beziehungen zum Beruf des Lehrers hatte sie nur durch ihren Bruder, welcher Lehrer war und eine Bekannte, die sie während der Aufräumungsarbeiten kennenlernte. Diese Frau war Lehrerin und nahm ihre Tätigkeit wieder auf.
Nach dem Krieg waren gute Lehrer selten. Frau Schiller folgte dem Aufruf des Schulrates und bewarb sich für einen Neulehrerkurs. Der damalige Rektor Hutz prüfte sie auf eine etwas ungewöhnliche Weise. Er stellte sie in eine ziemlich große und unruhige Klasse und blieb draußen vor der Tür stehen, um zu sehen bzw. zu hören, wie sie mit den Schülern fertig wurde. Frau Schiller begann aus ihrem Leben zu erzählen. Es war ihre 1.Stunde und die Schüler waren ruhig.
Nun begann für sie die Ausbildung. Dazu gehörten unter anderem auch Pädagogik- und Psychologiezirkel. Aber bereits nach 2 Jahren begann sie, Schüler bis zur 5.Klasse zu unterrichten. Ungefähr 1950 legte sie inner-halb von 3 Monaten ihr Staatsexamen in Magdeburg ab. Danach übernahm sie den Unterricht in der Mittel- und Oberstufe. Hinzu kam, daß sie ein Wahlfach unterrichten mußte. Sie entschied sich für Russisch, da sie früher als Dolmetscherin slawischer Sprachen tätig war.
25 – 26 Stunden unterrichtete sie wöchentlich. Nebenbei hatte sie jedoch immer Weiterbildung. Der Unterricht fand in der alten Schule statt, die heutige Kinderbibliotek. Frau Schiller baute die Pionierorganisation unserer Schule auf. Sie half bei der Ausbildung von Lehrkräften, denn 25 Lehrern und Studenten stand sie bei ihrem Praktikum hilfreich zur Seite. Außerdem brachte sie auch die kulturelle Betätigung der Schüler voran. Sie war Leiterin einer Laienspielgruppe, die 200 Mitglieder umfaßte. Sie dichtete Märchen um und verfaßte selbst kleine Stücke für ihre Schüler. Bei jedem Höhepunkt trat sie mit ihrer Gruppe auf.
Ein Mitverdienst Frau Schillers ist es auch, daß alle Kinder zur Einschulung eine Schultüte von der Schule bekommen. Auch wurden die ABC-Schützen durch ihre Gruppe mit Tanz und kleinen Märchenstücken in der Schule begrüßt.
Später wurden dann auch erstmalig Schulbücher und Schulhefte an die Schüler aufgeteilt. Gut erinnert sich Frau Schiller noch an die erste Schulspeisung. Für jeden Schüler gab es jeden Tag ein Brötchen; viel später die erste Suppe, Roggensuppe. Die Essenausgabe fand im Keller statt. Auch Lehrpläne gab es erst 10 Jahre nachdem Frau Schiller in der Schule zu arbeiten begonnen hatte. Damals waren 90% aller Lehrer Neulehrer. Anfangs wurden jedem Neulehrer ein Mentor, ein älterer erfahrener Lehrer, zugeteilt. Für jede Unterrichtsstunde mußte von jedem Lehrer eine schriftliche Vorbereitung ausgearbeitet werden. Jede Stunde lief genau nach Plan ab.
Rektoren und Direktoren während Frau Schillers Lehrerzeit waren Herr Hutz, Herr Rasch sowie Herr und Frau Oestereich. Zwei Lehrer,die heute an unserer Schule tätig sind, waren ehemalige Schüler von Frau Schiller, Frau Röseler und Frau Schärhoff. Ungefähr 27 Lehrer waren anfangs an der Schule tätig. Etwas unter 1000 Schüler besuchten die Schule. Die Klassen hatten eine Größe bis zu 40Schülern.
Für Frau Schiller war die Arbeit mit Hortkindern am verantwortungsvollsten. Deren Eltern arbeiteten und hatten wenig Zeit. So trug die Lehrerin fast allein zur Erziehung dieser Schüler bei. Weiterhin unterstützte sie Rektor Hutz bei Schreibarbeiten, denn er war Rektor von 7 Schulen und an der Schule gab es keine Sekräterin. Sie vertrat die Gewerkschaft an der Schule. Vielen Kindern, die aus Polen kamen, opferte sie ihre Freizeit, um ihnen Deutsch beizubringen. Zwischen den Lehrern und auch zwischen Lehrern und Schülern herrschte ein sehr gutes kameradschaftliches Verhältnis.
21 Jahre lang unterrichtete Frau Schiller an unserer Schule. Sie liebte ihre Arbeit. Es gab viele Schwierigkeiten, aber auch viel Freude. Sie hat viele Auszeichnungen für und während ihrer Lehrerzeit bekommen, z.B.die Pestalozzi Medaille in Gold und Silber, den Titel „Aktivist der ersten Stunde“. Viele Errungenschaften beim Aufbau des neuen Staates hat sie miterlebt und half sie zu verwirklichen.
In der Schule arbeiteten viele Neulehrer, die sich neben ihrer Tätigkeit als Lehrer für ihren neuen Beruf qualifizierten. Ein Erlebnisbericht der Lehrerin Frau Kuschnerus, die 40 Jahre an dieser Schule tätig war, sagt aus, das Mängel in allen Bereichen die pädagogische Arbeit prägte. Es gab keine oder kaum Hefte und Bücher. Zum Beispiel waren für eine Klasse von ca. 40 Kindern 7 Bücher vorhanden. Die Dachschiefer wurden als Tafel benutzt. Unterrichtet wurde jahrelang übergreifend in Deutsch, Mathematik, Zeichnen und Musik. In den Pausen wurden die Kinder mit Spielen von den Lehrern beschäftigt. Das fangsgehalt der Lehrer betrug 90 – 200 Mark. Die Kinder wurden täglich in der Schule mit einer warmen Mahlzeit versorgt. Frau Kuschnerus hatte viel Freude am Unterrichten und gestaltete die Freizeit gemeinsam mit den Kindern. Sie vertrat die Auffassung, dass damals mehr für die Kinder getan wurde als heute.
Ein Schreiben des Bürgermeisters an den Rat des Kreises zeigt uns noch heute die Sorgen und Nöte der damaligen Zeit:
Nach 1945 wurde die Turnhalle von den russischen Besatzungsmächten beschlagnahmt. 1947 ging eine Beschwerde des damaligen Schulleiters in der russischen Kommandantur in Oranienburg ein. Er bestand in dem Schreiben darauf, dass die Kinder die Turnhalle wenigstens am Nachmittag nutzen durften. Seit 1949 heißt die Grundschule Pestalozzi-Schule. Das Bevölkerungswachstum in Birkenwerder machte gegen Ende der fünfziger Jahre die Planung eines weiteren Schulanbaus notwendig.
1959 begannen die Ausschachtungsarbeiten für den Schulanbau, an dem Lehrer, Schüler und Eltern maßgeblich beteiligt waren.
Im Jahre 1960 wurde mit dem Bau begonnen, der sich über ein Jahrzehnt hinzog. Für Lehrer und Schüler bedeutete das erschwerte Lehr- und Lernbedingungen, die sich z.B. im Dreischichtunterricht äußerten. 1967 schuf der VEB Modellbau Birkenwerder zusätzliche Klassenräume. Viele Eltern, Lehrer, ältere Schüler und andere Freiwillige beteiligten sich am Erweiterungsbau der Schule. Am 31 . August 1971 konnte endlich die Bauabnahme erfolgen, und danach bezogen Lehrer und Schüler die neuen Räume.
1982-1985 hatten wir Kontakte mit den Rugbyspielern der Jugendmannschaft von RC Tatra Smíchov. Smíchov ist ein Stadtteil von Prag. Sie wohnten in Gastfamilien. Milan Haitman war mit seinem Bruder, seinem Vater, dem Trainer, und seiner Mutter bei Jutta und Bernd untergebracht. Sie besuchten in Berlin den Tierpark, den Alexanderplatz, den Fernsehturm, das Brandenburger Tor, die Mauer und beobachteten die Straßenbahnen. Der Rugby Club gehörte zu der Fabrik ČKD Tatra Smíchov, dem Hersteller von Straßenbahnen für den sogenannten Ostblock. Die Rugbyspieler aus Birkenwerder fuhren später dann nach Prag.
In den nächsten Jahren wurden in der polytechnischen Oberschule die älteren Schüler unterrichtet, die Kleinen gingen in die eigens für sie gebaute Sonnenschule zum Unterricht.
Nach der neuen Schulreform im Jahre 1990 wurde aus der polytechnischen Oberschule eine Gesamtschule. Die Räume der Gesamtschule wurden von den Grundschülern der 5./6. Klassen und von den Schülern der Gesamtschule gemeinsam genutzt. Die Schüler der 1.4. Klassen gingen bis zu ihrem Umzug 1999 bzw. 2000 in die Sonnenschule.
1998 begannen die Umbaumaßnahmen für die integrativ-kooperative Grundschule. Beim Umbau wurde beachtet, dass die Voraussetzungen dafür geschaffen wurden, dass behinderte und nicht behinderte Kinder in dieser Grundschule gemeinsam leben und lernen.
Zum Schuljahresende 1999/2000 erfolgte der große Umzug. Alle Grundschulklassen der ehemaligen Körperbehindertenschule kamen in das neu rekonstruierte Grundschulgebäude, das einen Anbau bekommen hatte, in die Hauptstraße 61. Endlich konnten alle Kinder der 19 Klassen der integrativ-kooperativen Grundschule zu Beginn des Schuljahres 2000/2001 im fertiggestellten Haus unterrichtet werden.
Geprägt wird die Arbeit in der neuen integrativ-kooperativen Grundschule durch:
- einen neuen Tagesrhythmus
- gemeinsamen Unterricht behinderter und nicht behinderter Schüler
- Vormittagsband
- Teamarbeit
- neue, offene Unterrichtsformen
Ab 01.08.2005 organisieren wir eine Ganztagsschule nach dem Modell der verlässlichen Halbtagsschule. Das Konzept wird in Zusammenarbeit mit dem Hort und anderen Kooperationspartnern umgesetzt. Es lernen 414 Schülerinnen und Schüler in 20 Klassen.
Umfangreiche Baumaßnahmen werden ab Juni 2006 ausgeführt. Im Untergeschoss wird ein Durchbruch von der Schule zu den Garagen der Feuerwehr geschaffen. Das alte Feuerwehrdepot wird umgebaut und im Dezember 2006 der Schule zur Nutzung übergeben. Hier sind nun eine Schulbibliothek und ein lichtdurchflutetes Atelier entstanden.
Im März 2007 erfolgt die Grundsteinlegung für die neue Gymnastikhalle. Dazu fallen die 13 Pappeln auf dem unteren Schulhof, die durch Ahornbäume ersetzt wurden.
Die Gymnastikhalle sowie die Außensportanlage mit einer Tartanbahn und einem Fußballplatz aus Kunstrasen konnten im November 2007 in Betrieb genommen werden.
Ab dem Schuljahr 2008/09 halten wir das Angebot der flexiblen Schuleingangsphase vor. Kinder der 1. und 2. Jahrgangsstufe lernen gemeinsam in einer Klasse und wechseln in der Regel nach 2 Jahren in die 3. Klasse. Diese Zeit kann nach Bedarf für jedes einzelne Kind auch bis zu einem Jahr verkürzt oder bis zu einem Jahr verlängert werden. Damit können die ersten beiden Lernjahre in einem oder auch in drei Jahren absolviert werden.
In den jahrgangsübergreifenden Klassen wird mit differenzierten und individualisierten
Aufgabenstellungen an einem gemeinsamen Unterrichtsgegenstand gearbeitet. In diesem Unterricht dominieren Übungs- und Festigungsphasen.
Diese Organisationsform wechselt sich mit dem Lernen in Gruppen, der Einzelförderung und klassenstufenbezogenen Angeboten, dem Teilungsunterricht, ab. Ein Drittel der Stundentafel findet in diesem Teilungsunterricht statt. Im Vordergrund stehen lehrgangsorientierte Unterrichtsanteile.
In den FLEX-Klassen erfolgt eine Bewertung durch schriftliche Informationen zur Lernentwicklung.
Erneute Baumaßnahmen beginnen im September 2009. Die Gymnastikhalle wird mit 3 modernen Klassenräumen aufgestockt. Jeder Klassenraum hat einen Gruppenraum, eine Fußbodenheizung und das Licht geht durch einen Bewegungsmelder automatisch an und aus.
2010 wurden die Garagen des Feuerwehrdepot umgebaut. Es entstand unser großes Atelier und die neue Schulbibliothek.
2017/18 begann die Digitalisierung des Unterrichts mit dem Ausbau von WLAN, der Anschaffung von Laptops und Smartboards für die Jahrgangsstufen 5 und 6. Die Smartboards, auch Digitalbords genannt, lösen die grünen Kreidetafeln ab. Wir befinden uns auf dem Weg zu einer kreidefreien Schule.
18. März 2020: Aufgrund unabwendbarer Gegebenheiten (Coronavirus) erfolgte der Unterrichtsbetrieb durch Homeschooling.
Ab 5. Mai 2020 begann die Phase 1 der schrittweisen Wiederinbetriebnahme der Schule mit der Jahrgangsstufe 6 und eine Woche später mit der Jahrgangsstufe 5.
Die Phase 2 startete am 25. Mai 2020, bei der alle Jahrgangsstufen tageweise in die Schule kamen. Um den Hygienestandard einzuhalten, wurden die Klassen in zwei Lerngruppen geteilt und erhielten zeitlich versetzt den Präsenzunterricht unter Einhaltung der Abstandsregel von 1,50m zwischen 2 Personen.
Februar 2023: Kreidetafel ade. Alle Unterrichtsräume sind nun mit digitalen Tafeln ausgestattet.